Dampf ablassen, um Ärger abzubauen?

In unserem täglichen Leben begegnen wir immer wieder Situationen, die uns ärgern oder verärgern. Es kann sich um kleine Dinge wie einen verpassten Bus oder eine vergessene Einkaufsliste handeln, aber auch um größere Dinge wie unfaire Behandlung am Arbeitsplatz oder eine Streitigkeit mit dem Partner oder der Partnerin. In solchen Momenten stellen wir uns oft die Frage: Sollte ich meinen Ärger zeigen oder lieber nicht?

Ärgerausdruck
Das Zeigen von Ärger

Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach und hängt von vielen Faktoren ab, wie der Schwere des Anlasses, der Beziehung zur betreffenden Person oder der eigenen Persönlichkeit. Im Folgenden möchte ich zunächst einige Vor- und Nachteile vom zeigen bzw. nicht zeigen von Ärger vorstellen.

Zeigen von Ärger

Zunächst einmal kann es hilfreich sein, seinen Ärger zu zeigen. Die aufgebaute Erregung kann sich so wie bei einem Dampfkessel entladen, und man fühlt sich danach (vielleicht) wieder besser (personbezogene Regulation). Wenn wir unseren Ärger unterdrücken oder verstecken, kann es sein, dass wir uns selbst schaden, indem wir uns gestresst, frustriert oder verletzt fühlen. Über lange Zeit kann der aufgestaute und unterdrückte Ärger zu schwerwiegenden Krankheiten führen.

Außerdem: Wenn wir unseren Ärger zeigen, kommunizieren wir offen unsere Gefühle und geben anderen so die Möglichkeit, unsere Bedürfnisse und Erwartungen zu erkennen und vielleicht auch zu verstehen (sozialbezogene Regulation). Wenn wir zum Beispiel mit einem Arbeitskollegen darüber sprechen, dass wir uns von ihm ausgeschlossen fühlen, kann dies dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert.

Auf der anderen Seite kann es aber auch Nachteile geben, wenn wir unseren Ärger zeigen. Bei manchen führt das Zeigen des Ärgers dazu, dass das Erleben dieser Emotion weiter intensiviert wird. In sozialen Beziehungen kann ein unangemessener Umgang mit Ärger zu Spannungen und Konflikten führen. Wenn wir uns zum Beispiel bei unserem Partner lautstark beschweren, dass er/sie nie zuhört oder egoistisch ist, kann dies zu Beleidigungen führen, die wir nicht beabsichtigt haben. Auch im Arbeitsumfeld kann ein übermäßiger Ausdruck von Ärger dazu führen, dass man als unprofessionell oder unkontrolliert wahrgenommen wird, was zu weiteren Konflikten mit Kolleg*innen führen kann.

Die funktionale Bedeutung des Zeigens und Nicht-Zeigens von Ärger
Die funktionale Bedeutung des Zeigens und Nicht-Zeigens von Ärger

Nicht-Zeigen von Ärger

Eine andere Option besteht darin, seinen Ärger nicht zu zeigen. Dies kann bedeuten, dass man sich zurückzieht, um zu vermeiden, dass man impulsiv handelt oder Dinge sagt, die man später bereut. Wenn wir unseren Ärger kontrollieren, können wir uns Zeit nehmen, um uns zu beruhigen (personbezogene Regulation) und eine klare und sachliche Kommunikation (sozialbezogene Regulation) zu ermöglichen. In einigen Fällen kann dies auch dazu beitragen, Konflikte zu vermeiden oder zu minimieren, indem man einfach akzeptiert, dass manchmal Dinge schiefgehen und nicht jeder Konflikt gelöst werden kann.

Allerdings kann das Unterdrücken von Ärger auch negative Auswirkungen haben. Wenn wir unseren Ärger verbergen, können wir uns frustriert oder unverstanden fühlen. Dies kann uns langfristig schaden, indem es zu Stress oder psychischen Problemen führt. Wenn wir unsere Gefühle nicht ausdrücken, kann es auch sein, dass andere Menschen uns falsch einschätzen und uns nicht verstehen, was zu Missverständnissen oder Vorurteilen führen kann.

Übungen

Es kann durchaus sinnvoll sein, „Dampf abzulassen“, wenn man wütend oder frustriert ist. Indem man seine Emotionen herauslässt, kann man sich erleichtern und den Stress abbauen, der sich aufgestaut hat. Es ist jedoch wichtig, dabei auf eine gesunde Art und Weise vorzugehen, um zu vermeiden, dass man andere verletzt oder in Schwierigkeiten gerät.

Einige Möglichkeiten, um „Dampf abzulassen“, könnten sein:

  • Körperliche Aktivität: Sport oder Bewegung können helfen, Spannungen abzubauen und das Adrenalin abzubauen. Ein Spaziergang im Freien, eine Yoga-Stunde oder ein Lauf können wirksame Möglichkeiten sein, um Stress abzubauen.
  • Schreiben oder Tagebuch führen: Das Schreiben von Gedanken oder Gefühlen kann helfen, sie aus dem Kopf zu bekommen und sie auf eine konstruktive Art und Weise zu verarbeiten. Es kann auch helfen, Klarheit zu gewinnen und neue Perspektiven zu gewinnen.
  • Sich mit Freund*innen oder Familie austauschen: Das Sprechen mit einer Vertrauensperson kann dazu beitragen, Emotionen zu verarbeiten und zu bewältigen. Es ist jedoch wichtig sicherzustellen, dass man dabei nicht nur negative Gefühle ausdrückt, sondern auch bereit ist, zuzuhören und auf den Standpunkt anderer einzugehen.
  • Kreative Ausdrucksformen: Malen, Singen oder Tanzen können ebenfalls eine wirksame Möglichkeit sein, um Gefühle auszudrücken und sich zu entspannen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das „Dampf ablassen“ nicht dazu führen sollte, dass man anderen Schaden zufügt. Es ist wichtig, respektvoll und rücksichtsvoll zu bleiben und darauf zu achten, dass man andere nicht beleidigt oder verletzt. Wenn man Schwierigkeiten hat, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, kann es auch sinnvoll sein, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Zusammenfassung

Es gibt also Vor- und Nachteile dafür, seinen Ärger zu zeigen oder ihn nicht zu zeigen. Die „Wahl“ hängt davon ab, welche Situation man gegenübersteht und welche Auswirkungen die Entscheidung auf die Beziehung zu anderen und auf das eigene Wohlbefinden hat.

Insgesamt ist es wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, um unseren Ärger zu managen. Wir sollten versuchen, unsere Gefühle zu verstehen und zu akzeptieren, anstatt sie zu unterdrücken oder impulsiv zu handeln. Gleichzeitig sollten wir uns bemühen, unsere Bedürfnisse und Erwartungen in einer respektvollen und konstruktiven Art und Weise auszudrücken, um unsere Beziehungen zu anderen Menschen zu stärken und unser eigenes Wohlbefinden zu fördern

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